20. Sept bis 30. Nov
Ricardo Basbaum

la société du spectacle (& NBP)

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Projekt für den Kunstraum Lakeside, Klagenfurt

Das Projekt „la société du spectacle“ ist eine temporäre Intervention, bei der ich einige visuelle Techniken angewendet habe, die auch in meinen letzten Arbeiten Einsatz gefunden haben. Ziel des Projekts ist es, auf verschiedene aktuelle Aspekte im Verhältnis zwischen Kunst, Kultur und New Economy hinzuweisen, indem man die heutige Rolle der zeitgenössischen Kunst genauer betrachtet – nicht nur in Hinsicht auf die unterschiedlichen Verfahren in der Kunst, sondern auch in Bezug auf die diversen Rollen, die KünstlerInnen einnehmen (AgentInnen, AutorInnen, KritikerInnen, KuratorInnen, …) und das aus diesen hervorgehende „Image der KünstlerInnen“.

Der Titel „la société du spectacle“ ist eindeutig eine Übertreibung. Er verweist darauf, dass dieser von Guy Debord geprägte Ausdruck zum Schlagwort, zu einer Art „Landschaft“ geworden ist: Man ist sich bewusst, solch eine Umgebung, die durch und durch von der „Logistik des Spektakels“ bestimmt ist, zu bewohnen und sich in ihr zu bewegen; es besteht die Notwendigkeit, eine Form des Widerstandes zu entwickeln; man muss darauf reagieren und eine Distanz schaffen, die überhaupt erst die Entwicklung anderer Strategien erlaubt.

Dieser Prozess ist schon seit mindestens zwanzig Jahren im Gange. Ich möchte lediglich von meinem Standpunkt als Künstler und meinen Arbeitsstrategien ausgehend auf einige Aspekte der Organisation dieses Handlungsfeldes hinweisen. Es ist ja an sich ein kollektiver Ausdruck, da kein/e KünstlerIn als isoliertes Individuum existieren oder arbeiten kann: Jeder künstlerische Ansatz zeigt Verbindungen, Netzwerke, Rhizome, etc. auf. Das offene Programm NBP wurde als eine Möglichkeit konzipiert, auf diese „Landschaft“ in Form von Interventionen zu reagieren. Dieses Programm repräsentiert meine Plattform als Künstler und ermöglicht es mir, mich vom starken Fokus auf „Kommunikation“, „Kontaminierung“ und affektives Engagement in Bezug auf zeitgenössische Kunst als ein im Auftrag der Öffentlichkeit stehendes Instrumentarium abzuheben. „La société du spectacle (& NBP)“ bietet also eine kleine Auswahl an Interventionen an unserer alltäglichen „Landschaft“ des 21. Jahrhunderts, unter Verwendung des typischen NBP-Projekts „boîte à outils conceptuelle“.

Die realisierte Intervention besteht aus drei Elementen: (1) eine außerhalb des Kunstraums positionierte Metallkonstruktion, die eine „Tür vor der Tür“ erzeugt; (2) ein Diagramm an einer einfärbigen Wand innerhalb des Raums, wo eine Karte mit Linien, Bildern und Wörtern angebracht ist; (3) ein Überwachungskamera-System, in dem vier die Installation zeigende Bilder ständig wiederholt werden. Sie verweisen auf eine andere Sinn- und Wahrnehmungsebene, die sich auf den Kunstraum, seine Strukturen und die Installation bezieht.

(1) Die Metallkonstruktion: Die äußere architektonische, skulptur-ähnliche Struktur soll als Membran funktionieren, die die Beziehung zwischen Innen- und Außenraum – vom umgebenden Raum zum Kunstraum und umgekehrt – vermitteln soll. Die Konstruktion hat vor der normalen Eingangstür noch zwei verschiedene Türen. Dadurch müssen die BesucherInnen entscheiden, wie sie den Raum betreten (oder auch nicht betreten). Eine der Türen ruft eine besondere Situation hervor, die die BesucherInnen zu einer „verpflichtenden Performance“ führen: Der Körper muss durch eine speziell geformte Tür – und ein kleines (20 cm hohes) Hindernis am Boden überwinden. Hier sollen die BesucherInnen die eigene Körperwahrnehmung und die ästhetische Erfahrung miteinander in Verbindung bringen.

(2) Das Diagramm: Wort und Bild werden durch kartografische und diagrammatische (schematische) Elemente verbunden. Diese wiederum bringen auf dem einfarbigen Hintergrund (affektive Intensität) Elemente der subjektiven und kollektiven Performance miteinander in Einklang: „Ich“ und „Du“ (Subjekt und Objekt) sind verschiedenen Wortgruppen zugeordnet, die durch Linien und grafische Komponenten gekennzeichnet sind. Ein Großteil der Wörter und Bilder ist direkt aus dem Werbematerial und der Homepage von Lakeside entnommen, was auf die Gemeinsamkeiten im Wortschatz der Bereiche Kunst, Kultur und immaterielle Wirtschaft hinweist und auf affektive sowie synergetische Beziehungen anspielt. Die Wörter in der Grafik sind durch interne Referenzen auf das NBP Projekt miteinander verbunden, indem verschiedene Projekte im Laufe des Entwicklungsprozesses von NBP genannt werden. In diesem Sinne ist dieses Diagramm auch ein Kommentar zu meinen Kunstprojekten und deren Strategien, mit dem Verweis auf den aktuellen Status und möglichen Entwicklungen.

(3) Die Kameras: Das Set bestehend aus vier Schwarz/Weiß-Kameras und einer Ablaufsteuerung, die die Installation erfassen und die Bilder in den offenen Raum projizieren, nenne ich „System-Kino“. Hierbei sind einige Aspekte hervorzuheben: (a) Die Bilder der Kameras erlauben Einblick in manche Winkel der Installation, die mit freiem Auge nicht erkennbar sind. Die Raumwahrnehmung durch die Kameras wird also mit der direkten Rezeption des Raumes durch die Anwesenheit in der Installation vermischt. (b) Die hypnotisierende Wiederholung der vier Bilder erzeugt eine Art labyrinthischer Verdoppelung des eigentlichen Installationsraums. Während bestimmte Stellen von der Kamera erfasst werden, werden andere als Schatten eingestuft und nicht von den Linsen gescannt; (c) Die Präsenz der Kameras verstärkt den Eindruck einer Art von Autonomie der Installation – nicht eine formale, aber eine kritische und „manageriale“ (im Sinne einer „Ökonomie der Bedeutung“). Diese Autonomie verleiht der Arbeit eine selbstreferenzielle Ebene, die vor bestimmten standardisierten Formen der Assimilation „schützt“ und auf Beteiligung basierend auf „Kontakt-Zonen“ verweist; (d) Die Bilder der Kameras sollen auch Material für zukünftige Arbeiten liefern.

„La société du spectacle (& NBP)“ erzeugt eine aktive sensorische Dynamik, die die BesucherInnen in einen produktiven und intensiven Prozess miteinbindet.
Ricardo Basbaum (Übersetzung Lisa Stadler)

Ricardo Basbaum, 1961 in Sao Paulo geboren, lebt in Rio de Janeiro, wo an der Kunstfakultät der Staatlichen Universität lehrt und als Künstler, Autor, Kritiker und Kurator tätig ist.

Sabeth Buchmann lebt in Berlin und Wien, ist Kunsttheoretikerin und Professorin für Kunst der Moderne und Nachmoderne an der Akademie der bildenden Künste in Wien.