30. Mai bis 4. Juli
Josef Dabernig/Deimantas Narkevičius

Spielregeln

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Das Schöne am Fußball ist auch das legitime Genießen des Vergessens. Deutschland, ein Sommermärchen, hat uns 2006 daran erinnert. „Wir sind Europameister”, plakatierte ein selbstverliebtes, aber wirtschaftlich schwaches österreichisches Bundesland schon Monate vor Beginn der Euro 2008. Während nun im Juni, wenige Meter vom Kunstraum entfernt, in einem beeindruckenden, aber ökonomisch prekären Stadion um den Aufstieg gespielt wird, zeigen wir mit „Wisla“ von Josef Dabernig einen Fußballfilm, der sich gerade jenen Phantasmen zuwendet, die dem ideologisch überhöhten Sportereignis eigen sind. Im Vorfeld der WM 2006 wurde aber auch intensiv über eine Schattenseite solcher Events diskutiert und entsprechend dagegen agitiert – Zwangsprostitution und Frauenhandel als Parallelökonomie zum Völker verbindenden Spektakel des Sports. Mit dem Film „Matrioskos“ von Deimantas Narkevičius stellen wir eine künstlerische Reflexion, nicht nur über diese Schattenwirtschaft, sondern auch über das Auskosten dieser Realitäten in den Massenmedien an die Seite des Fußballfilms. Was beide Filme verbindet, ist ein künstlerisches Nachdenken über das Verhältnis von „authentischen” und „inszenierten” Bildern und über die Lust an der Wiederholung immer derselben Bilder.

Josef Dabernig
Wisla
A 1996 | 16mm auf on DVD | 8min
Zwei Darsteller folgen als Trainer und Co-Trainer einer Fußballmannschaft dem fiktiven Ablauf eines „wichtigen” Spiels. Sie agieren im leeren Stadion, die Kamera ausschließlich auf sich gerichtet, mit signifikanten Gesten der Protagonisten. Das leere Wisla-Stadion in Krakau als nackte bildliche Atmosphäre kontrastiert mit Originaltonaufnahmen zweier Serie-A-Fußballspiele aus dem Stadio Friuli in Udine. Davon ausgehend zieht sich ein komplexes Dualitätsprinzip über verschiedene Ebenen: von den Gegensätzen in den beiden Charakterstudien bis zur Dialektik von szenischer Apathie und aggressiv-dynamischer Tonentsprechung, von der gähnenden Leere des Stadions als abgewirtschaftete Kulissenarchitektur bis zur Ironisierung derselben als Quasi-Repräsentationsbühne. Die sparsam, aber gezielt eingesetzte Gestik der Akteure ist Katalysator von Handlungsmustern, welche innerhalb des Rahmenereignisses eines Fußballspiels Bedeutung haben. Sie wird als solche zur Metapher sozialen Handelns, zum ambivalenten Ausdruck von Macht und Ohnmacht. (Josef Dabernig)

Regie, Buch und Produktion: Josef Dabernig | Kamera: Thomas Baumann | Schnitt und Ton: Josef Dabernig, Martin Kaltner | Darsteller: Josef Dabernig, Martin Kaltner – Emil Brix, Jerzy Fedorowicz, Ludwik Mietta-Mikolajewicz, Rembert Schleicher

Josef Dabernig, geb. 1956 in Kötschach-Mauthen, ist Künstler und Filmemacher und lebt in Wien. Seine Filme wie „Wars”, „Jogging” oder „Lancia Thema” werden regelmäßig auf Festivals gezeigt. Dabernig war 2003 bei der 50. Biennale von Venedig vertreten. Einzelausstellungen (Auswahl): Galerie im Taxispalais, Innsbruck (2006) Bunkier Sztuki, Krakau; Galerie für Zeitgenössische Kunst, Leipzig (2005); Grazer Kunstverein (2004); BAK – basis voor actuele kunst, Utrecht (2003); Contemporary Art Center, Vilnius (2002); Künstlerhaus Bethanien, Berlin (1997); Secession, Wien (1992)

Deimantas Narkevičius
Matrioskos
2005 | Video | 24min
„Matrioskos” ist die Wiederaufführung einer fiktiven Geschichte im Stil eines Dokumentarfilms. Drei professionelle Schauspielerinnen, die an dem kommerziellen TV-Projekt „Matriojskas” des belgischen Fernsehsenders VTM beteiligt waren, geben das Szenario des Films wieder, als ob es Teil ihrer Biografie wäre. Die fiktive Erzählung, „auf einer wahren Geschichte beruhend”, wird als eine Dokumentation präsentiert, die den Erlebnissen der drei Individuen folgt.
Das Projekt befragt das Ungleichgewicht zwischen fiktionalen Narrativen und dokumentarischen Praktiken in den zeitgenössischen populären Medien.

Deimantas Narkevičius, geb. 1964 in Vilnius, lebt in Vilnius.
Einzelausstellungen (Auswahl): Index, Stockholm; Mücsarnok Kunsthalle, Budapest (2007); Galerie für Zeitgenössische Kunst, Leipzig; GB Agency, Paris; Bunkier Sztuki, Krakau (2006); Akademie der Künste, Berlin (2005); Gallery Foksal, Warschau (2004); Münchner Kunstverein, München (2002) Beteiligungen (Auswahl): Skulptur Projekte Münster 07, Münster; 52. Biennale Venedig; 53. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen (2007); Prospectif cinéma, Centre Pompidou, Paris; The 6th Gwangju Biennale 2006; „We all laughed at Christopher Columbus”, Platform, Istanbul (2006); „Time and Again”, Stedelijk Museum, Amsterdam; „Europa”, Film and Video from the centre of Europe, Tate Modern, London (2005).