Wirtschaft und Geschlecht

Vorwort
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Mit schöner Regelmäßigkeit weisen uns Medienberichte darauf hin, dass die Arbeit von Frauen um ein gutes Stück schlechter bezahlt wird als die von Männern. So können wir uns gut daran gewöhnen. Ein Blick in die Wirtschaftsseiten der Zeitungen zeigt uns – ebenso wie der mediale Auftritt von Firmenvorständen und Aufsichtsräten –, dass die Wirtschaft noch um vieles männlicher ist als die Politik, das Bildungswesen oder die Kultur. Haben wir es also in der Ökonomie mit einem monosexuellen Sektor zu tun? Oder gibt es das andere Geschlecht der Ökonomie? Es lässt sich also nach den Mechanismen der Marginalisierung und nach den Regeln der geschlechtlichen Arbeitsteilung fragen. Damit hat das Unterscheiden aber erst begonnen, denn in den spätkapitalistischen Gesellschaften des Westens finden sich nicht unbedingt dieselben Muster der Vergeschlechtlichung des Ökonomischen wie in den postsozialistischen des ehemaligen Ostens. Verschiedene Wirtschaftszweige weisen unterschiedliche Geschlechterverhältnisse auf und Geschlecht (Sex) selbst ist warenförmig wie kaum etwas. Arbeit, Erfolg, Einkommen, Gewinn, Expansion usw. sind aber auch libidinös besetzte Kategorien, was der geschlechtlichen Dimension des Ökonomischen eine weitere Qualität verleiht.
Spiegeln sich in den Begehrensstrukturen die Machtverhältnisse und/oder lassen sich letztere subversiv queren, wenn man sich tendenziell von der unausgesprochenen Bipolarität der Geschlechter verabschiedet?
Das Frühjahrsprogramm des Kunstraum Lakeside wirft einige Schlaglichter auf das komplizierte Verhältnis von Wirtschaft und Geschlecht. Die renommierte US-Wissenschaftlerin Eileen Trauth forscht seit vielen Jahren zu den Geschlechterverhältnissen in der IT-Branche und stellt in einem Vortrag ihre Methoden und Ergebnisse zur Diskussion. Tadej Pogačar, dessen Ausstellung das Semester eröffnet, beschäftigt sich mit einem der sexuell strukturierten Wirtschaftszweige schlechthin, der Prostitution, und arbeitet dabei am Beispiel einer brasilianischen Prostituierteninitiative vor allem die Kämpfe um Anerkennung und Rechte heraus, die in diesem Fall mit der Kreation eines Modelabels als Alternativökonomie eine besondere Form annehmen. Bojana Pejić (Vortrag) und Mare Tralla (Video) beziehen sich auf die sozialistische „Heldin der Arbeit” und verfolgen den Wandel, dem ein solches Frauenbild unter Bedingungen des Neokapitalismus und der Feminisierung von Armut unterliegt.
In der zweiten Ausstellung dieses Frühjahrs präsentieren Renate Lorenz und Pauline Boudry mit den inszenierten Fotografien der im England des 19. Jahrhunderts lebenden Hausangestellten Hannah Cullwick einen Schatz an historischer Genderperformance und reflektieren diesen vor dem Hintergrund aktueller Praktiken der Durchquerung von gesellschaftlichen und geschlechtlichen Grenzziehungen. Antke Engel, Leiterin des Hamburger Instituts für Queer Theory, wird in einem Vortrag die Bedeutung der Vervielfältigung von Geschlechteridentitäten für neoliberale Konzepte von Subjektivität diskutieren.
Das Ende des Semesters fällt in die Wochen der Euro 2008, einem Wirtschaftsfaktor erster Ordnung. Mit einer Gegenüberstellung ausgesuchter Arbeiten von Josef Dabernig und Deimantas Narkevičius sollen Mythen der Männlichkeit, wie sie der Fußball pflegt, und Realitäten des Geschäfts mit dem Frauenhandel, das im Umfeld von sportlichen Großveranstaltungen einen Nährboden findet, einer vergleichenden Betrachtung unterzogen werden.

Christian Kravagna, Hedwig Saxenhuber