18. Okt. bis 30. Nov

«A Sense of Place»

kuratiert von Eva Engelbert und Katrin Hornek

 

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Mit Eva Engelbert und Katrin Hornek wurden zwei junge Künstlerinnen eingeladen, eine Gruppenausstellung zu konzipieren, die von ihren eigenen Produktionsweisen und sozialen Beziehungen im Kunstfeld ausgeht. Es handelt sich hier also nicht um die eingeübte Funktionsteilung in KuratorIn­nen und KünstlerInnen und auch nicht in erster Linie um die Auswahl künstlerischer Positionen zu einem bestimmten Thema, sondern um den Versuch der räumlich-ästhetischen Abbildung von existierenden und gewachsenen Arbeitszusammenhängen und geteilten Denkräumen.

Arbeit und Lebensunterhalt junger KünstlerInnen, vor allem jener, die nicht markt­affin produzieren, sind heute zu einem guten Teil durch Stipendien, Studienaufenthalte und Residency-Programme strukturiert. Aus den damit verbundenen wechselnden Orten, sozialen Umfeldern und persönlichen Kontakten resultieren zumindest zwei Phänomene: ein schnell sich ausbreitendes Netz aus internationalen Künstlerfreund- und -bekanntschaften, deren Bedeutung häufig über die von lokalen Szenen hinauswächst. Aber auch das Paradox, sich an wechselnden Orten auf spezifische Problemstellungen einzulassen und dazu Arbeiten zu entwickeln, deren Bedeutung dann an anderen Orten fragwürdig zu werden scheint. Eva Engelbert und Katrin Hornek integrieren beide Punkte in ihr Ausstellungskonzept. Die eingeladenen KünstlerInnen sind Teil jenes ­Netzes aus ProduzentInnen, die einander meist an dritten Orten und kanalisiert durch Förderprogramme kennengelernt haben. Für das selbst organisierte Zusammentreffen in ihrer Ausstellung orientieren sich die kuratierenden KünstlerInnen an Fragen wie: Was passiert auf dem Weg zwischen einem realen Ort, dem durch die künstlerische Arbeit geschaffenen Raum und dem Ausstellungsraum? Ist der Kunstraum fiktiv? Welcher Raum wird durch den Transport von Ortsspezifität kreiert? Wird lokaler Kontext zur Kulisse und dadurch entpolitisiert? Ist zeitgenössische Kunst so mobil wie ihre KünstlerInnen?

Relevant wird hier die Frage nach der Ortsbezogenheit künstlerischer Arbeiten beziehungsweise den Bedingungen der Möglichkeit ihrer räumlichen und zeitlichen Übersetzung. Während die Thematisierung der «Site Specificy» in einigen konzeptuellen Strömungen seit den 1960-er Jahren stark an eine kritische Reflexion des Galerieraums und des Kunstwerks als einer Handelsware geknüpft war, stellt sich diese Frage heute teilweise anders. Mit den erwähnten Strukturen, die die Ortsbezogenheit künstlerischer Praxis geradezu fordern, büßt die «Site Specificy» einiges von ihrem Nimbus des Kritischen ein, und künstlerische Selbstverortung verlangt ein Nachdenken über die Probleme des Weiterlebens und Weiterentwickelns ortsbezogener Arbeiten unter diesen Bedingungen.

Die Beiträge der teilnehmenden KünstlerInnen zu «A Sense of Place» generieren in der Ausstellung ein Zusammentreffen von künstlerischen Argumenten zu den genannten Problemen der Ortsbezogenheit und «Transportfähigkeit» bestimmter Methoden. Johanna Tinzl und Stefan Flunger (A) lassen den Text ihres Videos «Der Zaun ist europäisch», das sie an der marokkanisch-spanischen Grenze mit dem Kommentar eines spanischen Taxifahrers gedreht haben, von einem Taxifahrer aus Kärnten neu sprechen und stellen so eine Verbindung von Grenz- und Migrationspolitiken an den Rändern und im Inneren Europas her. Karin ­Hasselberg (S) präsentiert den skulpturalen Forschungsstand ihrer Überlegungen zur Möglichkeit eines «any site specific object», welches an jedem Ausstellungsort funktionieren würde, neben einem Video aus ihrer «Hole Series», das die physischen Interventionen der Künstlerin in das Erdreich diverser Ausstellungsorte dokumentiert. Die Videoarbeit «Nomads» von Kay ­Walkowiak (A) zeigt acht Sequenzen indischer Straßenszenen, in denen ein weißer Kubus, der als Sockel, minimalis­tisches Kunstwerk oder modernistisches Architekturzitat gelesen werden kann, von einer Fahrradrikscha über den Boden geschleift wird. Ann Guillaume (F), die sich in ihrem Video «Ancestral Voices» am Beispiel der griechischen Antike mit dem touristischen und wissenschaftlichen Transport von Geschichte und Kultur beschäftigt, präsentiert auf einer Transportpalette den abgenommenen und transportgerecht gefalteten Vorhang des kunstraum lakeside.

Ungewöhnlich für eine Gruppenausstellung junger und konzeptuell orientierter Kunst ist die Einbeziehung des 79-jährigen Salzburger Bildhauers Josef Zenzmaier, dessen überlebensgroße Bronzeskulptur des Paracelsus vor dem Kunstraum seine temporäre Aufstellung findet. Als Beispiel eines traditionellen Skulpturbegriffs hat Zenzmaiers Paracelsus seine Folgerichtigkeit im Projektzusammenhang durch die besondere Geschichte des für einen konkreten Ort (Uni Salzburg) in Auftrag gegebenen Werks, welches sich in einem jahrzehntelangen Produktionsprozess und Differenzen zwischen Künstler und Auftraggebern gleichsam entortet hat. In unmittelbarer Nähe zu Zenzmaiers Skulptur bespielt Hannes Zebedin (A) die Litfaßsäule vor dem Ausstellungsraum mit einer Arbeit zu den Bewegungsstrategien der Kärntner PartisanInnen während der Nazi­zeit und ihren Taktiken zwischen Geheimhaltung und politischer Propaganda.

Eva Engelbert und Katrin Hornek (A) haben, inspiriert von einem Internetspiel zur globalen Kommunikation, eine künstlerische «Klammer» geschaffen: In einem Akt des überzogenen Globalismus spannt ihr «Earth Sandwich» die Erdkugel zwischen zwei Semmelhälften, je eine im kunstraum lakeside und im Chatham Islands Museum am gegenüberliegenden Punkt des Globus im Südpazifik. Das Museum selbst ist im Kunstraum durch Informationsmaterialien und die Fotografie der Semmelhälfte vertreten, der Kunstraum im Chatham Islands Museum durch seine Programmhefte und das Foto der anderen Semmelhälfte. Aus dem Zusammentreffen der einzelnen Arbeiten in «A Sense of Place» sollte sich eine Diskussion über den Ortssinn zeitgenössischer Kunst entwickeln.

 

Eva Engelbert (A, 1983), lebt und arbeitet in Wien. 2004–2010 Univ. für angewandte Kunst Wien, Prof. Gabriele Rothemann, 2008/2009 Ecole Nationale Supérieure des Arts Décoratifs, Paris. ­Einzelausstellungen: Galerie 5020, Salzburg (2011). www.evaengelbert.com

Ann Guillaume (F, 1980), lebt und arbeitet in Paris. Einzelausstellungen: Espace d’en bas, Paris, (2012); Galerie Octave Cowbell, Metz, (2011); Galerie Odile Ouizeman, (2010); Galerie Sara Guedj, Paris, (2009). www.annguillaume.fr

Karin Hasselberg (S, 1980), lebt und arbeitet in Malmö. 2011–2013 Malmö Art Academy, Malmö. 2003–2007 Gerrit Rietveld Academy, Amsterdam. 2006 Royal Danish Academy of Fine Arts, Kopenhagen. Einzelausstellungen: New Socket. Gallery Sandy Brown, Berlin, Germany (2011); Screens on 11. Stedelijk Museum Bureau Amsterdam (2008). www.karinhasselberg.com

Katrin Hornek (A, 1983), lebt und arbeitet in Wien. 2003–2008 Akademie der bildenden Künste Wien, Monica ­Bonvicini. 2006 Royal Danish Academy of Fine Arts, Wall and Space. Einzelausstellungen: Ellen de Bruijne Projects/Dolores, Amsterdam; Spare Room, Melbourne (2011); Galerie 5020, Salzburg (2009); Basis, Frankfurt (2008).www.katrinhornek.com

Johanna Tinzl/Stefan Flunger (A, 1976/A, 1969), leben und arbeiten in Wien. Seit 2004 Zusammenarbeit. Johanna Tinzl: 2002–2007 Universität für angewandte Kunst Wien, Brigitte Kowanz. 1996–2002 Universität ­Mozarteum Salzburg. Stefan Flunger: 1989–1999 Studium der Kunstgeschichte an der Universität Innsbruck. Einzelausstellungen: Neue Galerie, Innsbruck; VBKÖ, Wien (2011). www.tinzl-flunger.net/tinzl.htm

Kay Walkowiak (A, 1980), lebt und arbeitet in Wien. 2005–2010 Universität für angewandte Kunst Wien, Skulptur und Multimedia, Prof. Erwin Wurm. 2003–2009 Universität für angewandte Kunst Wien, Kunst und kommunikative Praxis. 2008 Tokyo Zokei University, Japan. 2003–2008 Akademie der bildenden Künste Wien, Kunst und Fotografie. Einzelausstellungen: Kunstpavillon, Tiroler Künstlerschaft, Innsbruck; The Lust Gallery, Wien (2012); Vienna Artweek 2010, Magazin, Wien (2010); node, Tokio (2008). http://walkowiak.artfolder.net

Hannes Zebedin (A, 1976). Einzelausstellungen: «Zweifelskontinuum», Salzburger Kunstverein (2012); «Immer noch und noch nicht» (mit Adrien Tirtiaux), Kunsthalle St. Gallen; «Commonwealth», AREA Lugar de Proyectos, Caguas, Puerto Rico (2011); «Escape», Galerie kunstbuero, Wien; From Partisan View, OKC Abrasevic, Mostar (2010); «Mit Schwung durchqueren anstatt sich aufzuhalten», Secession, Wien (2009).

Josef Zenzmaier (A, 1933), lebt und arbeitet in Kuchl, Österreich. 1947–1951 Bundesfachschule für Holz, Stein und Metallbearbeitung, Hallein. 1952–1954 Steinmetzlehre in den Mayr-Melnhofschen Marmorwerken, Salzburg. 1953/1954 Sommerakademie für bildende Kunst, Salzburg (Oskar Kokoschka, Uli Nimbsch/ Giacomo Manzù). 1955–1957 Werkkunstschule Köln, Klasse für Metallplastik. 1979–1996 Leiter der künstlerischen Klasse für Bildhauerei (Bronzeguss), Sommerakademie für bildende Kunst, Salzburg. 1985 Verleihung des Berufstitels «Professor». Einzelausstellungen: Romanischer Keller, Salzburg; Salzburger Museum Carolino Augusteum (2003); Schloss ­Neuhaus, Salzburg (2001). Öffentliche Arbeiten: Virgil-Bronze, Bildungshaus Salzburg (1976); Gnadenstuhl-Bronze, Erzbischöfliches Palais, Salzburg (1989); Bronzetore am Haus für Mozart, Salzburg (2006); Paracelsus-Bronze (2010).

 

Mit freundlicher Unterstützung von:

Galerie im Traklhaus

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