«Das ist wirklich hier passiert»

Ausstellung und Forschungsprojekt
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«Das ist wirklich hier passiert» ist ein umfangreiches Recherche- und Ausstellungsprojekt zu Alternativen der politischen, sozialen und kulturellen Entwicklung Kärntens. Das schlechte Image Kärntens als politisch reaktionär, geistig provinziell und kulturell konservativ ist durchaus nicht unbegründet. Dennoch hat es in den letzten 40 Jahren immer wieder Projekte auf verschiedenen Ebenen gegeben, die modellhaften Charakter im Hinblick auf alternative Formen des Wirtschaftens, der kulturellen Praxis sowie des gesellschaftlichen Zusammenlebens beanspruchen können. Die Geschichte des «anderen Kärntens» hat jedoch im allgemeinen historischen Bewusstsein einen geringen Stellenwert. Diverse Initiativen mit Zukunftspotenzial scheinen heute weitgehend vergessen oder wurden gezielt nicht nur in ihrer Entfaltung behindert, sondern auch aus der Geschichte ausgeschlossen. Wir gehen aber davon aus, dass ein ­Wissen um die konkreten Geschichten progressiver Experimente in der jüngeren Vergangenheit Anhaltspunkte für heutige Ansätze zur Aus­arbeitung von Zukunftsperspektiven in der Region darstellen kann.

            «Das ist wirklich hier passiert» ist ein Kooperationsprojekt des kunstraum lakeside mit dem Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Universität Klagenfurt. Im Rahmen einer auf Initiative des kunstraums im WS 2011/12 initiierten Lehrveranstaltung unter der Leitung des Kommunikationswissenschaftlers Matthias Wieser und des Künstlers Hubert Lobnig recherchierten Studierende in öffentlichen und privaten Archiven zu ausgewählten Ereignissen in der alternativen Geschichte Kärntens, sammelten Material und analysierten Medienberichte zu den entsprechenden Ereignissen.

            Im Zentrum steht die Beschäftigung mit drei Fallbeispielen zu wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Selbstorganisation aus den späten 1970er-Jahren und einem aktuelleren Beispiel von 2006: die Gründung der Longo maï Kooperative bei Eisenkappel im Jahr 1977, die legendäre Besetzung eines Hauses in der Klagenfurter Reitschulgasse im Jahr 1979 mit dem Ziel der Gründung eines selbst verwalteten Kultur- und Kommunikationszentrums sowie der Installierung des BombaClab in zwei besetzten Militärbaracken am Kreuzbergl im Jahr 2006, verknüpft mit sehr ähnlichen Forderungen wie 1979 in der Reitschulgasse. Diese sehr verschieden­artigen Ereig­nisse mit ihren ebenso unterschiedlichen Entwicklungen (Erfolgen und Rückschlägen) bildeten den Ausgangspunkt von Recherchen, Interviews mit Beteiligten und Materialsammlungen, aus denen sich Verbindungen zu anderen konkreten Geschichten und ihren medialen und politischen Diskussionen herstellen lassen.

            Die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts werden im Sommersemester 2012 in Form einer Ausstellung im kunstraum lakeside präsentiert und zur Diskussion gestellt. In diesem Zusammenhang der Darstellung und Neuschreibung von (regionaler) Geschichte geht es auch um methodische Fragen im Spannungsfeld künstlerischer, wissenschaftlicher und politisch engagierter Zugänge.

            Wir setzen mit diesem Projekt eine Programmatik fort, die wir in den letzten Jahren u.a. mit der Diskussionsveranstaltung «Raum schaffen» (zu kritischen Kärntner Kunst- und Kulturinitiativen) und dem Filmprojekt «Representing Saualm» (zum politischen und medialen Diskurs um das Asylwesen in Kärnten) als ernsthafte und kritische Auseinandersetzung mit «brennenden» regionalen Themen begonnen haben und in der sich die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Instituten der Universität Kla­genfurt als äußerst fruchtbar erwiesen hat.

 

Christian Kravagna, Hedwig Saxenhuber