Umbau

Vorwort
-
«Umbau», so der Titel des Wintersemesters ist nicht im technischen Sinn gemeint – der kunstraum bleibt vorerst so wie er ist –, sondern wir beschäftigen uns im kunstraum lakeside mit den großen und kleinen ­Fragen nach politischen Veränderungen in Bezug auf Sozialstrukturen. Aktueller Anlass sind die noch andauernden Revolutionen des arabischen Frühlings, aber auch die latenten Umbrüche im Zentrum Europas, die die Untersuchung des Begriffs Demokratie nahelegen. Wie wird Demokratie heute gelebt? Worin liegen die Potenziale des revolutionären Friedens? Was versteht man lokal, hier in Kärnten, unter Demokratie? Die «Pathologie» der modernen Gesellschaft liegt nach dem Soziologen Axel Honneth darin, dass unsere wesentlichen Institutionen bei der Realisierung ihres aufklärerischen Auftrags ins Stocken geraten oder gegen ihren Ursprungssinn wirken.

An dieser Schnittstelle beginnt die Untersuchung von Oliver Ressler, der seit Jahren an Projekten über Demokratie, Ökonomie, Rassismus, Widerstandsformen und gesellschaftliche Alternativen arbeitet. In «What Is Democracy?» stellt er Aktivisten und politischen Analysten in 18 Städten die gleichen Fragen. Die Interviews zeigen Perspektiven und Standpunkte von Leuten in Staaten, die gemeinhin als Demokratien bezeichnet werden. Diese gelebte Theorie der Demokratie im globalen Feld heute ist eine spannende Anregung, diesen Diskurs im kunstraum fortzusetzen.

Die Filme von Anna Jermolaewa beziehen sich auf eine direkte und starke Bildsprache des Alltags. In jüngster Zeit hat die Künstlerin ihren migrantischen Hintergrund thematisiert. «Aleksandra Wysokinska/20 Jahre danach» und «Research for Sleeping Positions» sind zwei Beispiele für die ansatzweise Auf­arbeitung einer persönlichen Biografie entlang der großen Veränderungen der internationalen politischen Geografien der letzten 20 Jahre. Die Motive des Unterwegsseins, der Bewegung und der Hindernisse sind nur einige ihrer Themen.

Um Bewegung und die Rückeroberung von Öffentlichkeit geht es auch in einem anderen Programmpunkt. Silvia Eiblmayr führt anlässlich der Buchpräsentation «Erholungsräume» von Isabella Hollauf ein Gespräch mit der Künstlerin, die sich mit den utopischen Potenzialen von öffentlich gestalteten Räumen in Ost- und Westeuropa auseinandersetzt. Hollaufs Untersuchung setzt da an, wo noch Visionen und der Auftrag für die Gestaltung von Orten für das Gemeinwohl ein wichtiger Faktor waren, wo noch nicht Ausschluss und Privatisierung von Öffentlichkeit als politische Ziele definiert wurden. Sie arbeitet mit der Strategie der Gegenüberstellung, des Damals und Jetzt, mit den Erwartungen und Wünschen und der ­heutigen Realität.

Die Ausstellung «366 Rituale» von Igor Grubić beschäftigt sich mit der Ästhetik des sozialen Raums, er nennt seine Interventionen Rituale. Die Eingriffe, die sich auch auf bereits formulierte Interventionen der Gruppe der Sechs aus den 70er-Jahren in Zagreb beziehen, fordern die Gesellschaft heraus zu reagieren. Grubić interveniert mit minimalen Veränderungen dort, wo Probleme der Gesellschaft berührt werden und folgt bei seinen Aktionen mehr emotionalen als intellektuellen Impulsen.

Zu Ende des Semesters zeigen wir das Videoexperiment «[abschatten]» von ­Markus Brandstätter, der im letzten Jahr Begegnungen mit «verschatteten» Existenzen in Klagenfurt suchte, jenen, die aus diversen Gründen aus dem Regelwerk der Gesellschaft fallen. Sein Experiment stützt sich u.a. auf seine kinematographischen und philosophischen Kenntnisse.

 

Christian Kravagna, Hedwig Saxenhuber