10. Nov., 18 Uhr
Oliver Ressler

What is Democracy?

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«What is democracy?» («Was ist Demokratie?») ist nicht eine Frage, sondern es sind eigentlich zwei Fragen. Es ist zum einen die Frage nach der dominierenden Form der Demokratie, der parlamentarisch repräsentativen Demokratie, die im Film kritisch diskutiert wird. Zum anderen ist es die Frage, wie ein demokratischeres System aussehen und welche organisato­rische Form es annehmen könnte.

Im Rahmen des Projekts wurde die ­Frage «Was ist Demokratie?» zahlreichen AktivistInnen und politischen AnalystInnen in 15 Städten in der Welt gestellt: in ­Amsterdam, Berkeley, Berlin, Bern, ­Budapest, Kopenhagen, Moskau, New York, Rostock, San Francisco, Sydney, ­Taipeh, Tel Aviv, Thessaloniki und ­Warschau. Die Interviews wurden seit Januar 2007 auf Video aufgenommen. Obwohl allen GesprächspartnerInnen ­dieselbe Frage gestellt wurde, ist das Resultat eine Vielfalt unterschiedlicher Perspektiven und Ansichten von Menschen, die in Staaten leben, die üblicherweise als «Demokratien» bezeichnet werden.

Dieser Pool an Interviews bildet die Basis für einen Film in acht Abschnitten, der eine Art globale Analyse über die ­tiefe politische Krise des westlichen Demokratiemodells (re-)präsentiert. In einem der Videos erläutert Adam Ostolski (Warschau), dass «der moderne Demokratiebegriff von Anfang an mit dem Fortschrittsgedanken verbunden» war und parlamentarische Staaten «eine Tendenz [zeigten] immer demokratischer zu werden, indem immer neue Typen politischer Akteure, neue Gruppen wie Arbeiterschaft und Frauen usw. usf. miteinbezogen wurden. […] Doch seit den 1980ern, seit dem Aufkommen des neoliberalen Trends in Politik und Wirtschaft, bildet sich die Demokratie zurück.» Für Lize Mogel (New York) hat sich die Situation so geändert, dass, wenn man heute «an repräsentative Demokratie denkt, man nicht zwangsläufig an Individuen [denkt], die repräsentiert werden, sondern eher an Kapital, das repräsentiert wird.» Nikos Panagos (Thessaloniki) argumentiert sogar, «dass Repräsentation und Demokratie zwei miteinander unvereinbare Begriffe sind. Daher kann man das gegenwärtige System unter keinen Umständen eine Demokratie nennen. Es ist bloß eine raffinierte Form der Oligarchie.» Während in den Videos Ideen von direkter Demokratie oder die Entscheidungsfindungsprozesse in indigenen Gesellschaften ausgeführt werden, wirft David McNeill (Sydney) die Frage auf, ob es denn überhaupt Sinn mache, «weiterhin um das Recht [zu kämpfen], den Begriff Demokratie für sich zu beanspruchen und definieren zu dürfen», oder ob er «von den Konservativen, die ihn für sich beansprucht haben, schon so korrumpiert und beschmutzt worden [ist], dass es besser sei, sich geschlagen zu geben und sich auf die Suche nach geeigneteren Formen der Beschreibung dessen zu machen, wie wir uns unsere Zukunft vorstellen».

Der Film diskutiert den umkämpften Begriff der «Demokratie», der von den Machthabern für die Aufrechterhaltung der Ordnung missbraucht wird, während «Demokratie» zugleich jenes Ideal repräsentiert, das Hunderte Millionen Menschen im globalen Süden verzweifelt zu erreichen versuchen. Heute scheint es daher fast unmöglich zu sein, gegen «Demokratie» zu sein, obgleich sie immer leerer wird. Eine mögliche Strategie könnte es daher sein, den Begriff «Demokratie» mit neuer Bedeutung zu füllen. In diesem Sinne präsentiert der Film einen vielschichtigen Diskurs über Demokratie, der ein breites Spektrum von Meinungen zum Ausdruck bringt, die über die Grenzen von Nationalstaaten oder Kontinenten hinausgehen.

 

Konzept, Interviews, Kamera und Tonaufnahme: Oliver Ressler

GesprächspartnerInnen: Kuan-Hsing Chen, Noortje Marres, Lin Chalozin ­Dovrat, Thanasis Triaridis, Tone Olaf ­Nielsen, Jo van der Spek, Cheikh Papa Sakho, Wolf Dieter Narr, Tiny aka Lisa Gray-Garcia, Joanna Erbel, Yvonne ­Riano, Trevor Paglen, Tadeusz Kowalik, Adam Ostolski, Boris Kagarlitsky, Michal Kozlowski, Lize Mogel, Rick Ayers, Nikos Panagos, Macha Kurzina, Gabor Csillag, Zachary Running Wolf, Jenny Munroe, David McNeill

Schnitt und Produktion: Oliver Ressler

 

Oliver Ressler, geboren 1970, lebt und arbeitet in Wien.

Einzelausstellungen: Berkeley Art Museum, USA; Platform Garanti Contemporary Art Center, ­Istanbul; Museum of Contemporary Art, Belgrad; Kunstraum der Universität ­Lüneburg; Centro Cultural Conde Duque, Madrid; Alexandria Contemporary Arts Forum, Ägypten und Bunkier Sztuki ­Contemporary Art Gallery, Krakau.

Gruppenausstellungen (Auswahl): MASS MoCA, USA; Itaucultural Institute, Sao Paulo; Van Abbe Museum, Eindhoven und an den Biennalen in Prag, Sevilla, Moskau, Taipei und Lyon.

www.ressler.at