15. Dez, 18 Uhr
Judith Fischer

Schwellenwesen

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Basierend auf meinen intensiven künstlerischen und theoretischen Recherchen und Investigationen zu Vampirinnen & Vampirismus1, Horrorfilm & Haunted Houses in Literatur und Film2 arbeite ich aktuell an und mit der Thematik der Schwellenwesen.
Schwellenwesen sind weder hier noch da; sie sind weder das eine noch das andere, sondern befinden sich zwischen den vom Gesetz, der Tradition, der Konvention und dem zeremonial fixierten Positionen. (...) So wird der Schwellenzustand häufig mit dem Tod, mit dem Dasein im Mutterschoß, mit Unsichtbarkeit, Dunkelheit, Bisexualität, mit der Wildnis und mit einer Sonnen- oder Mondfinsternis gleichgesetzt. Schwellen­wesen wie Neophyten in Initiations- oder Pubertätsriten können symbolisch als Wesen dargestellt werden, die nichts besitzen. (Victor Turner: «Das Ritual. Struktur und Anti-Struktur». 2005, Original 1969, S. 95) Im Künstlerinnenbuch «SOME: women houses phantoms» (Schlebrügge Editor, 2010) formuliere ich die Frage nach dem Liminalen und den Schwellenwesen auch in methodisch-struktureller Weise: Was geschieht, wenn wir tatsächlich transdisziplinär, subdisziplinär und dedisziplinär künstlerisch arbeiten? Wer sind dann unsere potenziellen Leserinnen?
Die Schwelle ist ein Zwischenbereich, heterotopisch, chronotopisch. Der Aufenthalt in der «Liminalität» (Victor Turner) ist nur als transitorischer gedacht, ein Übergang von einem Zustand in einen andern, ein kurzes Sich-Aufhalten in Besitzlosigkeit und der freiwillige Verzicht auf Identität. Was geschieht, wenn wir die Liminalität als Zone des Aufenthalts denken und (mental) betreten und uns zeitweise aus den «Strukturbeziehungen der Welt» (Turner) zurückziehen? Wie kehren wir zurück?

1 Auswahl: «Predator & Prey: Cryptic Presentation», Akademie Schloß Solitude, Stuttgart/D, 2004; «I saw her. I saw her», Galerie Alkatraz/Metelkova, Ljubljana/SL, 2003; «VAMPIRIC», ig bildende kunst/ Wien, 2002

2 Auswahl: «FACTFICTION: what is a ghost?», Unortnung/Wien 2009, «ABWESEND», Ragnarhofkeller/Wien 2008; «Haunted Spaces», ACC Galerie Weimar/D, 2007; «Report from the Ghost City» ATA Artists Television Access, San Francisco/US, 2007; «transmission», kunstpavillon innsbruck, 2006; «i am ­disappearing inch by inch into this house», kunsthaus mürzzuschlag/steirischer herbst 2005)

Judith Fischer wurde 1967 in Hallstatt/ A geboren, lebt in Wien. Sie arbeitet als Autorin und Künstlerin konzeptuell, theo­retisch und künstlerisch im Feld und im Kontext von Literatur, Philosophie, Film und visueller Kunst. Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaften und Philosophie in Wien. Postacademic Fellow an der Jan van Eyck Academy Maastricht/ Holland 1999–2001 (Art Theory; Vampiric reading & writing). Summertrimester Bauhaus Kolleg Dessau/D (complex city: Art in public space, 2000). Residenz­stipendium an der Akademie Schloss ­Solitude in Stuttgart (Literatur, 2004). ­Residenzstipendium am Künstlerhaus Büchsenhausen Innsbruck (Researcher Visual Arts, mit Claudia Hardi, 2005). 2008–2011 Doktorat der Philosophie & Arbeit an der Dissertation «Lesende. In Lektüre versunken. Das Bild des Lesens als Ort des Liminalen». bei Elisabeth von Samsonow, Ordinariat für philosophische und historische Anthropologie der Kunst an der Akademie der bildenden Künste Wien.