12. Dezember bis 2. Feber
Peter Spillmann / Katja Reichard / Marion von Osten

Der Park – Untersuchung im postproduktiven Cluster

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Der Park als Modell und Bühne zieht seine Pfade durch die Geschichte menschlicher Aufenthaltsräume, als künstliches Paradies, als Showcase innovativer Technologien, als Masterpiece der aktuellsten Ingenieurskünste, als Nachweis der Meisterschaft über die Natur, als Spiegel seiner Zeit, als Feier der Verwandlung von Ideologie in Materialität, als politische Bühne, als gouvernementales Terrain, als Teatrum mundi, als pars pro toto – ebenso wie auch als Rückzugsraum, Idyll, Freiraum, als ein Außerhalb gesellschaftlicher Verwertungszonen.

Der barocke Park wurde zum Beispiel nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen – und als Resultat ausgefeilter Ingenieurskunst als Repräsentationsbühne – symmetrisch um den Herrscher inszeniert. Die barocke Gesellschaft promenierte im Park in ständiger Bewegung (panoptisch kontrolliert durch ihre höfischen Blickpolitiken), durch illusionistische Spezialeffekte, perspektivische Ornamente und reflektierende Brunnen, durch die Theatralik der Natur, hergestellt auf der Grundlage des Rasters und nach den Regeln euklidischer Optik und Geometrie.

Im englischen Landschaftsgarten wird im Gegensatz zur hierarchischen Barockideologie die ideale Natur der neuen liberalen Welt- und Wirtschaftsordnung begehbar. Auf gewundenen Pfaden wandelt das zu sich selbst gekommene Subjekt in einem Terrain sich überlagernder Perspektiven und ruft erstaunt „Ha-Ha!“ beim plötzlichen Auftauchen des vorher unsichtbaren Grenzgrabens, der den gestalteten Garten vom ländlichen Restraum trennt. Das Individuum entdeckt seinen Weg und die Überraschungen innerhalb des festgelegten Rahmens selbst. Der Park fungiert als reformierendes Erziehungsprojekt, die unsichtbare Hand formt auch eine neue Subjektivität kaufmännischer Welterschließung. So wurden mit dem Modellcharakter der Landschaftsgärten auch Reformen in der landwirtschaftlichen Produktion und im Bildungswesen ausgelöst, über den Grenzgraben des Parks hinweg.

Die Welt zeigt sich im Park in ihrer elaboriertesten Variante, und die Welt zieht in die Parks, um dort unterhalten zu werden, zu kontemplieren, zu empfinden und zu erkennen. Heute werden Park-ähnliche Ensembles als Konsumzonen oder Freizeitparks gestaltet, oder um dort zu wohnen und zu arbeiten. Der zukünftige Trend architektonischer Projekte liegt in einer vom städtischen oder ländlichen Außenraum abgetrennten Insel oder einer Gated Community, in der alle Funktionen des Lebens in einer Struktur organisiert werden, die dem Park nachempfunden ist. Die Regel der Konzentration empfiehlt es, in der Zukunft also alles gleichzeitig zu tun. So wird aus dem Citizen ein Parkizen.

Seit 2005 führen wir auf dem Gelände des Lakeside Science & Technology Park Gespräche mit Unternehmen, TechnikerInnen, MitarbeiterInnen und Betreibern. Neben den zahlreichen Informationen über deren Tätigkeitsfelder und Visionen haben wir uns mehr und mehr gefragt, welche Bedeutung das Suffix „Park“ im Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell von Wissenschafts- und Technologieparks eigentlich spielt? Soll mit „Park“ vor allem ein neuer Typus von Arbeit bezeichnet werden? Mit der Vorstellung von entgrenzten Arbeitsverhältnissen in der ITBranche begannen wir unser Projekt. Vor Ort konnten wir aber feststellen, dass im Lakeside Park sehr geregelt gearbeitet wird und Freizeit eher außerhalb des Parks eine wichtige Rolle spielt. Daher stellten wir uns die Frage, ob es sich bei der Bezeichnung Park eher wie beim „Gewerbepark“ um eine Beschreibung davon handelt, dass sich unterschiedliche Firmen auf einem Gelände befinden, das im Stadtraum entsprechend markiert ist? Oder aber transportiert der Begriff „Park“ vergleichbar zu historischen Parkgestaltungen Verdichtung und gesellschaftlichen Modellcharakter? Was ist also ein Science & Technology Park – vor allem, wenn sich nun ein Kunstraum in ihm befindet, der Ökonomie durch KünstlerInnen kritisch befragen lässt? Welche Gemeinschaft und welches Wissen sollen in diesem Park produziert werden und welche Rolle spielt dabei die Kultur?

Science & Technology Parks, wie sie in der Fachliteratur beschrieben werden, sind ein weit verbreitetes Modell für die lokale Organisation globalisierter Produktionsstrukturen. Ihre Ziele sind Innovationen in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Design, die zum Entwurf und zur Entwicklung marktfähiger Prototypen führen, deren Produktion selbst meistens ausgelagert ist, d. h. an anderen Orten stattfindet. Durch die Ansammlung von etablierten Firmen, Start-ups und Forschungseinrichtungen, die sich in ihren Angeboten und Kompetenzen ergänzen, sollen kontingente Wirtschaftsprozesse plan- und steuerbar werden. Oft spezialisiert sich ein Park auf einen bestimmten thematischen Bereich, zum Beispiel Mobility-Management. Ziel ist es, Impulse für die lokale Wirtschaftsaktivität zu generieren. Science & Technology Parks haben daher im regionalen Kontext einen starken Symbolcharakter und werden so zu politischen Instrumenten, um lokale ökonomische Prozesse anzuregen und zu unterstützen, die mit den Anrufungen eines globalisierten Wirtschaftsgeschehens kompatibel sind. In wirtschaftlich schwachen Regionen werden sie weltweit häufig von der Politik als Inkubatoren initiiert, um Impulse für neue wirtschaftliche Entwicklungen zu geben. In den meisten Fällen erhalten diese Projekte daher öffentliche Subventionen für ihre Entwicklung und ihren Erhalt. Die in Technologieparks angesiedelten Firmen werden teilweise direkt oder indirekt staatlich unterstützt oder mit Subventionen angelockt, da die Symbolkraft, ein Motor für Innovation und fortschrittlichem Unternehmertum zu sein, wesentlich von der Zusammenstellung der dort angesiedelten Firmen abhängt. Verschiedene Akteure werden in einem Park vereint, die sich üblicherweise eher selten treffen würden aufgrund der Asymmetrie ihrer Bedeutung, die sie im globalen Markt spielen (multinationaler Konzern, lokale KMUs, Start-ups). Die Parks werden daher durch Private-Public-Partnership-Konstellationen erst möglich. Als öffentlich-private Körperschaften müssen sie selbst Profit erwirtschaften, reinvestieren und expandieren können. Science & Technology Parks sind somit in der Logik des freien Marktes künstlich geschaffene Verdichtungen, in der Wettbewerb und Austausch unterschiedlicher Akteure zum Nutzen der lokalen Wirtschaft gestaltbar erscheinen.

Ein zentrales Merkmal von Science & Technology Parks ist darüber hinaus die Anbindung an bestehende Bildungseinrichtungen wie Fachhochschulen und Universitäten. So haben Technologieparks, nicht nur lokalpolitisch, im Sektor Bildung oft eine besondere Funktion durch die forciert angewandte Wissensproduktion, die vor allem den Firmen nützlich sein soll, um marktfähig zu sein, zu bleiben oder es zu werden. Science & Technology Parks sind so Zeichen und Ort einer lernenden Ökonomie. Sie stehen für neue Entwicklungen und Reformen und können auch zur politischen Legitimation der Privatisierung und Ökonomisierung des Bildungssektors dienen. Durch ihren Campus-Charakter oder eine andere ähnlich besondere Bauform (Architecture of Excellence), die eine Mischform zwischen Firmengelände und Forschungseinrichtung darstellt, sind sie auch ein sichtbares Zeichen im städtischen Raum für „Aufschwung“, „Innovation“ und „Zukunftschancen“. Sie sind oft weit über ihre effektive wirtschaftliche Bedeutung hinaus in der Öffentlichkeit präsent und können so auch die öffentlichen Debatten zeitweise dominieren. Das Parkkonzept als verdichtetes Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell hat daher Einfluss auf unsere Vorstellungen von Wissensproduktion, Kultur und Bildung.

Der Lakeside Park verfügt zudem über einen kulturellen Modellcharakter, da nicht Kunst am Bau, sondern prozesshafte, kritische Kunstprojekte gefördert werden. Als KünstlerInnen des Kunstraums Lakeside Park repräsentieren wir kein Außen mehr, sondern das gewollte Innen. Den Park als Modell und Praxis verstehen wir als den Versuch, Wissen und Sozialität/Engagement in den Nukleus postfordistischer Ökonomie hinein zu „sourcen“ bei gleichzeitigem Outsourcen von Innovationshemmnissen und als minderwertig eingeschätzten Produktionsbereichen. Unser Film wird daher Rationalität und Affekt, Kalkül, Planung und inszenierte/simulierte Umwelt, die den Park strukturieren, und die Grenze zwischen Innen (Modell für die Zukunft) und Außen (zu entwickelnde Gegenwart) aus der Perspektive von ingesourcten „Parkizens“ thematisieren.