16. März bis 27. April
Zeigam Azizov

Hard Spell: A Promise to Generations

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Immer deutlicher zeigt sich, dass die globale Ökonomie durch Aneignung radikaler Neuerungen aus Wissenschaft, Philosophie und Kunst operiert, um eine neue Arbeitsteilung (so genannter geistiger Arbeit) zu organisieren. Ein Aspekt der Arbeitsteilung ist die Optimierung der Wahl, basierend auf den traditionellen Vorstellungen von Wettbewerb und Selbstvertrauen. Diese Aufgabe wird von den Medien übernommen, deren Grundlagen in einer perfekten Organisation technologischer Erfindungen und Formen von Kreativität liegen, welche aus verschiedenen Wissensformen, zum Teil aus der Linguistik, stammen. Täglich ist man in den Medien mit Programmen konfrontiert, die auf die ZuschauerInnen eine starke psychologische Wirkung ausüben. Dies geschieht aufgrund eines Verständnisses von Selbstvertrauen als einer Kraft zur Durchsetzung im Wettbewerb. So werden Affekte und emotionale Stärke in der „Freizeit“ erzogen. Die Medien sind zu einer Überwachungsmaschine geworden, die sicherstellt, dass Zuschauerwünsche und Arbeitsmöglichkeiten übereinstimmen bzw. untrennbar voneinander werden.

Mit der Installation „Hard Spell: ein Versprechen an Generationen“ problematisiere ich die dramatische Transformation radikaler Linguistik in die Managementsprache der Medien. Die Sprache der Medien spielt die erziehende Rolle, da sie immer mehr das allgemeine Bewusstsein heranwachsender Generationen kontrolliert. Die ursprüngliche Idee zum Projekt geht auf das Unterhaltungsprogramm „Hard Spell“ zurück, das in Großbritannien im Jahr 2005 täglich um 17.30 Uhr auf BBC1ausgestrahlt wurde. „Hard Spell“ war einem Rechtschreibwettbewerb zwischen Kindern gewidmet und stand unter dem Motto: „spelling is compelling!“ Ich habe dieses Programm als eine spektakuläre Weise der Heranbildung von Kindern für die wachsende globale Ökonomie wahrgenommen. In dieser Ökonomie sorgen Zwänge für neue restriktive Methoden unternehmerischer Lernfähigkeit und Berechenbarkeit, die untrennbar von ihrer linguistischen wie „intellektuellen“ Basis sind. Die Installation besteht aus einem Film (der Manager bewirbt das professionelle Rechtschreibtraining), einem Bild, welches für das Programm „Hard Spell“ wirbt, und einer Liste mit Begrifflichkeiten, die das linguistische Moment mit der korporativen Ethik verbinden. Der Film und das Bild aus „Hard Spell“ werden einander gegenüber installiert, um den Dialog zwischen dem professionellen Manager und der jungen Generation herzustellen. Die direkt auf die Wand gedruckten Terminologien sollen die Ursprünge der Umformung radikaler Ideen in
Geschäfte reflektieren.

In der „Mediensprache“ werden die meisten politischen Dilemmata als Versprechen gerechtfertigt, die Lebensbedingungen kommender Generationen zu verbessern. Aber man weiß heute auch, dass die Medien zu jener Plattform werden, von der aus die „Zukunft“ einer kommenden Gesellschaft versprochen wird. Die rapide Verbreitung neuer Technologien ermöglichte die schnelle Ausbreitung einer populären Erzählung. Wir könnten dieses Paradox der Subjektivierung mit Althusser interpretieren und sagen, dass die „Subjekte von alleine sprechen“, weil die politische Botschaft in Form einer „Anrufung“ an der Geburt des zeitgenössischen Subjekts beteiligt war. Wenn „Subjekte von alleine sprechen“ bedeutet dies, dass die Macht von den Regierungsgebäuden in die öffentliche Meinung verlagert wurde, als ob ihre Körper von der Botschaft der Macht besessen wären. Die Bedingung der Überwachung wird internalisiert und hat von der Art der Wahrnehmung Besitz ergriffen. Man nennt das auch „Biopolitik“. Im Klima des „Neoliberalismus“ ist es verbreitete Strategie der Medien, breiten Bevölkerungsschichten „eine Stimme zu geben“, sie sprechen zu lassen und ihre eigenen Geschichten zu erzählen. Doch schon ein wenig Kenntnis dieser Art „Freiheit“ hilft uns zu verstehen, dass die Freiheit zu sprechen beinahe dasselbe ist wie die Verkündigung der Botschaft der Macht. Denn früher radikale Gesten wurden sehr schnell institutionalisiert und zum Zweck ideologischer Operationen der Macht – der Kontrolle des Rechts auf freie Meinungsäußerung – adaptiert. Der Neoliberalismus ist berüchtigt für  diesen Wesenszug: es scheint, als wäre jedermann frei, sich zu äußern, und doch wird gleichzeitig auch das Ausmaß der Kontrolle gesteigert.

Ausgehend von diesen Überlegungen, bildet „Hard Spell“ den ersten Teil einer Serie, mit der ich eine Untersuchung der Komplexität unserer Zeit anstrebe.
(Zeigam Azizov)

Zeigam Azizov, geb. 1963 in Salyan, Aserbaidschan, lebt seit 1992 in London. Einzelausstellung: ICA, London (1995). Beteiligungen: „Global Photography now: Post Soviet States”, Tate Modern, London (2006); „Global tour”, W139, Amsterdam (2006), „Utopia Station”, Haus der Kunst, München (2004); 50. Biennale Venedig (2003); „Becoming Global”, Bauhaus Foundation, Dessau (2003); „Routes”, Grazer Kunstverein (2002); „Outsourcing”, inIVA, London (2002); „Never look back”, Shedhalle, Zürich (2001).