Vorwort

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Die Beiträge des Sommersemesters im Kunstraum Lakeside bewegen sich zwischen Analysen von Medieneffekten und Formen kritischer Medienverwendung. Zeigam Azizov widmet sich in seiner Installation »Hard Spell: A Promise to Generations« der erzieherischen Rolle des Fernsehens und betrachtet diese unter dem Aspekt ihrer Bedeutung für das Funktionieren von Individuen im globalen Kapitalismus. Am Beispiel einer BBC-Sendung, in der Kinder gegeneinander zum Rechtschreibwettbewerb antreten, reflektiert Azizov die mediale Verfertigung von konkurrenzfähigen, selbstbewussten und druckresistenten Subjekten, die das Ausfüllen eines ökonomisch begründeten Rollenbildes als Freiheit der Selbststeuerung empfinden. Azizovs Interesse gilt einem signifikanten Zusammenspiel von Unterhaltung und Erziehung, Freiheit und Unterwerfung, wie es aus diversen Reality Shows bekannt erscheint, und der subjektiven Internalisierung scheinbar objektiver Anforderungen an ein richtiges Leben und Handeln.

Medien fungieren aber nicht nur als Bewusstseinsmaschine, die im Gewand von Spiel, Spektakel und Bürgerbeteiligung ideologische Formationen als selbstverständlich erscheinen lässt. Sie bilden auch Räume und Werkzeuge des Widerstands gegen die vorherrschenden wirtschaftlichen und politischen Praktiken beziehungsweise den Common Sense ihrer Grundannahmen.
Die Formierung von transnationalen (Gegen-)Öffentlichkeiten im Internet ist Gegenstand eines Vortrags des Medien- und Kulturtheoretikers Rainer Winter. Er untersucht die Form und das kommunikative Potenzial solcher zivilgesellschaftlicher Netzwerke, ihre Rolle im Rahmen eines globalen Aktivismus (etwa zu Menschenrechten oder kologie) und fragt nach ihrer Bedeutung für eine potentielle Erneuerung der Demokratie.

Während Winter und Azizov die performativen Aspekte von Medien als Agenten der Erzeugung von falschem Bewusstsein respektive Widerstand in den Blick nehmen und ihre globale Dimension heraus streichen, geht Dorit Margreiter mit ihrer Ausstellung »zentrum« von einer lokalen Bestandsaufnahme gesellschaftlicher und urbaner Vernderung aus und thematisiert darauf hin die mediale Aufzeichnung solchen Wandels. Leipzig unterliegt wie andere Städte des ehemaligen Ostens einem Transformationsprozess, der sich unter anderem in einem postsozialistischen Verhältnis zur modernistischen Architektur als gebauter Ideologie manifestiert. Während in der Leipziger Innenstadt nunmehr als deplatziert empfundene Gebude abgerissen werden, existiert zugleich ein historisch-archivarisches oder ästhetisch-romantisches Interesse an der Formensprache des Sozialismus. Am Beispiel der für Leipzig (und die DDR) charakteristischen, nunmehr verschwindenden Leuchtschriften stellt Margreiter die Frage nach der dokumentarischen Rettung signifikanter Gestaltungsmodelle. Margreiter betrachtet nicht nur, sondern versteht die Rolle der Künstlerin, wenn sie etwa aus einer konkreten Leuchtschrift eine neue Typografie entwickelt, als Teilnahme an Historisierungsprozessen.

Die Kulturwissenschaftlerin Anette Baldauf, die im Rahmen von Margreiters Ausstellung einen Vortrag zu Victor Gruen, dem aus Wien stammenden Erfinder der Shopping Mall, hält, geht auf einen Aspekt urbaner Veränderung ein, der auch in Klagenfurt im Zuge der Errichtung der City-Arkaden so aktuell wie umstritten erscheint. Ein Filmprogramm mit Arbeiten von Jun Yang, Carola Dertnig, Kanak TV und Phil Collins, das künstlerische Medienkritik mit subversiver Mediennutzung verbindet, liefert punktuelle Analysen zur Mediatisierung von Migration, Krieg und ökonomischer Krise. Mit dem Konzert von Prince Zeka und seiner Band kommen viele Aspekte der künstlerischen und wissenschaftlichen Beiträge noch einmal in einem anderen Medium und in zahlreichen Sprachen zum Ausdruck.

Christian Kravagna, Hedwig Saxenhuber