Enge Anbindung

Vorwort
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Das Programm des Sommersemesters widmet sich den Interessenskonstellationen, die den ökonomischen Verbindungen und inhaltlichen Kooperationen zwischen Agenten aus den gesellschaftlichen Teilsystemen der Wirtschaft, Politik, Bildung und Kultur zugrunde liegen. Ausgehend vom Beispiel der «engen Anbindung» des Lakeside Science & Technology Park an die Klagenfurter Universität – einer Wendung, die in Texten über den Technologiepark regelmäßig zum Einsatz kommt – sollen die produktiven wie problematischen Seiten der Finanzierung von Wissenschaft und Kunst durch «öffentliche» (politisch verwaltete), «private» (korporative) und «halb öffentliche» (Stiftungen) Gelder näher beleuchtet werden. Gerade in einer politischen Landschaft wie der Kärntens, die etwa nonkonformen und kritischen Projekten nur eingeschränkten Handlungsspielraum gewährt, bieten Kooperationen mit «der Wirtschaft» oder privaten Geldgebern eine willkommene Alternative.
Auf der anderen Seite haben negative Erfahrungen mit der an Konkurrenz und wirtschaftlichem Nutzen orientierten jüngeren Entwicklung der Universitäten, die aus den Vorgaben einer EU-Politik des globalen Wettbewerbs resultierte, das Gefährdungspotenzial einer Ausrichtung an ökonomistischen Parametern für die wissenschaftliche Forschung und Lehre deutlich erkennen lassen. Im Feld der Kunst hat sich gezeigt, dass korporativ finanzierte Projekte manchmal zu einer restriktiveren Auslegung der Grenzen künstlerischer Freiheit neigen als dies im Rahmen staatlicher Kunstförderung mit ihren gesetzlichen Regelungen der Fall ist. Ebenso bedenklich erscheint die Tendenz von Konzernen, aus ihren der Kultur gewidmeten Mitteln nicht länger bloß Projekte zu unterstützen, sondern vermehrt selbst zu initiieren, in Übereinstimmung mit ihren jeweiligen wirtschaftlichen Interessen programmatische Linien vorzugeben und schließlich von den eigenen Angestellten kuratieren zu lassen.
Welche Chancen und Probleme ergeben sich aus solchen «Partnerschaften» für Kultur- und WissensproduzentInnen – von universitären Programmen, die aus «Drittmitteln » gespeist oder überhaupt ins Leben gerufen werden, bis zu «kritischen» Kunstprogrammen als Bestandteil von Corporate Identities – und welche Strategien des Lavierens zwischen Abhängigkeit, Pragma - tismus und kritischer Distanz lassen sich dabei ausmachen? Diesen Fragen widmet sich ein Diskussionsabend im April, der mit einem Vortrag des Soziologen Ulf Wuggenig zum gesellschaftlichen Funktionswandel der Universität eingeleitet wird, die aktuelle Publikation «Zur Kritik europäischer Hochschulpolitik» vorstellt und dann mit den HerausgeberInnen und VertreterInnen aus dem künstlerischen Feld geteilte Erfahrungen und mögliche Handlungsoptionen debattiert.
Während des ganzen Semesters läuft – durchaus programmatisch – die Ausstellung «Capitalism & Schizophrenia» der Künstlerin Senam Okudzeto. Am Beispiel des realen Falles eines Schweizer Wirtschaftskriminellen, der sich die Anreize regionaler Standortpolitik ebenso geschickt zunutze machte wie westliche Voreinstellungen ge genüber der «Alltäglichkeit » von Korruption in Afrika, demonstriert sie die zunehmende Ununterscheidbarkeit von «seriösen» Er folgs modellen in einer globalisierten Ökonomie und betrügerischen Einzelinteressen.
Im Mai hält der Künstler und Theoretiker Zeigam Azizov einen Vortrag zu den Verflechtungen des in jüngster Zeit expandierenden internationalen Biennalebetriebs in das Ölgeschäft und fragt nach den Affinitäten zwischen politischen, wirtschaftlichen und künstlerischen Interessen bzw. nach einer neu entstehenden Kunstform, die genau jenen Verflechtungen entspricht.
An drei Abenden im April und Mai widmet sich ein von der Filmkuratorin Madeleine Bernstorff zusammengestelltes Programm den Möglichkeiten einer künstlerischen Kritik der fortscheitenden Ökonomisierung von Bildungseinrichtungen, deren Spektrum von streng dokumentarischen Ansätzen bis hin zu subversiven Aktivismen reicht. Einzelne Filme aus diesem Programm erweitern den engeren thematischen Fokus dieses Semesters um häufig übersehene systemische Faktoren des individuellen wirtschaftlichen Scheiterns.
Aus einer desillusionierten Distanz von zwei Jahrzehnten postsowjetischer Realität wirft die russische KünstlerInnengruppe Chto Delat? in ihrem «Perestroika Songspiel, » das wir im Juni aufführen, einen Blick zurück auf einen Moment im Jahr 1989, als ein gegen die Perestroika gerichteter Staatsstreich durch eine breite Selbstmo bilisierung des Volkes vereitelt werden konnte und die Möglichkeit einer neuen, gerechteren Gesellschaft am Horizont erschien. Zum Abschluss des Frühjahrsprogramms zeigen wir parallel zu einer größeren Veranstaltung des Klagenfurter Unikum auf dem Lakesidegelände einen neuen Film von Robert Schabus, der die materiellen Seiten der Arbeit in einer scheinbar immateriellen Arbeitswelt wie der des Technologieparks in den Blick rückt.

Christian Kravagna, Hedwig Saxenhuber