15. November, 18 Uhr
Lisl Ponger

Passagen, déjà-vu

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Passagen 1996 | 35mm
(N-8, S-8 blow up) | 12 min
déjà-vu 1999 | 35mm
(N-8, S-8 blow up) | 23 min


Passagen
Eine Frau steht alleine an der Reling eines Passagierschiffes und blickt in die blaue Ferne. Sie wird sich für uns erinnern, an eine Ankunft in New York, an den Spaziergang eines jungen Paares durch Chinatown, an die Hausboote in Shanghai und die aufgeregten Kinder, die sich um die Besucherin mit der obskuren Bild-maschine scharen. Unter diesen Bildern liegen ferne Reisetöne, und parallel dazu entspinnt sich eine Montage verschiedenster Menschen, die einmal – unfreiwillig – aus Wien weggingen oder irgendwann hier ankamen.

Lisl Ponger erzeugt eine imaginäre Karte des zwanzigsten Jahrhunderts, auf der sich Emigrationsgeschichten wie Dauerspuren eines abendländischen Gedächtnisses eintragen. Die Bilder der aufmerksamen Vergnügungs-Reisenden erweisen sich in ihrem Spannungs-verhältnis zum Ton als postkoloniale Ausflüge durch eben diese Länder, die zeitlich wie räumlich längst kurzgeschlossen wurden. Nicht zuletzt die wunderschönen Leuchtschriften „Hotel Edison“ und „Radio City“ erinnern an den Ursprung dieser Form der Aneignung der Welt, an die Zeit der großen Expeditionen, der Benjaminschen Schaufenster und Passagen, an die Zeit, als technische Medien und Transportmittel die Wahrnehmung des modernen Menschen grundlegend veränderten.
Christa Blümlinger

déjà-vu
In einem subtropischen Land drängen sich weiße Besucher an eine Stelle, wo dunkelhäutige Landarbeiter ihre Erntekörbe ausschütten. Sie schauen neugierig, als wollten sie die Teeblätter prüfen. Allenthalben zücken Touristen ihre Kameras, ob vor freiem Großwild oder berittenen Kamelen, ob angesichts geschmückter Menschenkörper oder alltäglicher Arbeitsvorgänge. Bisweilen richten sie selbst ihre Blicke in die Kamera, für später, für zuhause, wenn sie stolz die „exotischen“ Fundstücke zeigen würden. In dieser Pose steckt ein jahrhundertealtes Modell westlichen Reisens und Abbildens.

Der faszinierte Blick auf die Fremden läßt diese im vorgefertigten Rahmen erstarren. Lisl Ponger spürt jenem Blick nach, indem sie gefundene Amateuraufnahmen neu verkettet, Geräusche herbeizitiert und dazu eine Serie von Stimmen setzt. Mit subtiler Distanz zum visuell Sichtbaren präsentieren sich in vielfältigen Sprachen die Anderen, von denen sich der Westen ein allzu homogenes Bild gemacht hat. Sie berichten unübersetzt von Erfahrungen mit verschiedenen Formen der Kolonisierung, ob als Beherrschte im eigenen Land oder als Vertriebene und zu Fremden gemachte.

Lisl Ponger fädelt die Filmaufnahmen an einem roten Faden auf – im chromatischen wie im symbolischen Sinn. Den Bildern aus südlichen Kontinenten verhilft der Ton zu erzählerischem Klang. Die Off-Stimmen erheben sich hier nicht über die Bilder. Vielmehr geht déjà vu durch die Vervielfachung der Sprachen ein Risiko ein. Es ist ein Film, der keine Sicherheiten vermittelt, sondern Rätsel aufgibt.
Christa Blümlinger

Lisl Ponger, geboren 1947 in Nürnberg. Fotoklasse an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien. Lebt und arbeitet in Wien.